Der kommende Aufstand
(oder Gewaltlosigkeit ist stärker als Gewalt!)
Die Katastrophe kommt nicht, sondern sie ist da! „Wir befinden uns schon jetzt in der Untergangsbewegung einer Zivilisation.“ „Der Aufstand“ allerdings kommt dem Titel des Buches nach erst. Er, als derjenige, scheint dem unsichtbaren Komitee nach noch nicht da zu sein. Warum aber sollte Katastrophe und Untergang einerseits und Aufstand andererseits ihrem Wesen und ihrer Dynamik nach in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so verschieden sein? Weil Katastrophe und Untergang noch niemals so existentiell und absolut waren, wie sie es jetzt und in naher Zukunft sein werden? Daran glaube ich nicht…
Der Text zeigt in Teilen große Kraft, er konfrontiert mit existentiellen Bedrohungen von Naturzerstörung und mehr noch mit menschlichem Wahnsinn und seiner genauso brüchigen wie aufwendig erhaltenen Normalität als seiner Fassade. Wie ich es verstehe ist der Text ein Versuch, aus dieser Unerträglichkeit auszubrechen und diesem Ausbruch Substanz und Form zu geben. Auch ist er meine ich schon deswegen wichtig und interessant, weil er zeigt, wie sich Menschen der Realität einer existentiellen Bedrohung stellen. Bei allem Widersprüchlichen und bei aller Schwäche, zeigen die Autoren dabei Mut und Aufrichtigkeit – Zwischen dem so unfassbaren und unvergleichlichen Verbrechen des 3. Reiches und heutiger, in ihrer Reichweite nie da gewesenen Zerstörungen von Lebensraum und Lebensgrundlage, neigt unser Bewusstsein dazu abzudrehen und die erstaunlichsten Visionen zu erzeugen, ein bisschen so, wie in einem Nahtodeserlebnis. Mich erinnert der Text an Dostojewskijs Roman Böse Geister: Anarchie, Nihilismus und Erlösung durch Kommunismus und Aufstand. Er (als kommender!), wie überhaupt der Eifer und die vielen „Feinde“ gegenüber einer Minderheit an wirklich autonom Aufständigen, geben dem Text in großen Teilen etwas stark religiöses.
So ordnet das unsichtbare Komitee den ersten Teil seiner Schrift nach Dantes Höllenkreisen und behandelt und streift in einem Reigen u. a. grundlegende Fragen des Ichs, der Autonomie, der Nichtumwelt, des Fremden und selbstverständlich der Arbeit. Das ist faszinierend zu lesen und jeder ist aufgerufen, sich anhand dessen mit existentiellen Lebens- und Überlebensfragen des Menschseins zu konfrontieren. Wer allerdings wie die Autoren dabei so viel verhöhnt und verachtet, für den bleibt nicht mehr viel, er setzt seiner Vision und Aufforderung zum Aufstand zugleich hohe und enge Maßstäbe. Tatsächlich hinterlässt die kursive gedruckte Zukunftsvision der Autoren eher einen schalen Geschmack (Seite 110). In der Klarstellung dann hören die Autoren in den beruhigenden Worten von Politikern „immer klarer das Geräusch der Vorbereitungen eines offenen Krieges.“ (S. 113) Und; „die Restbestände von Aktivisten reichen uns die Hände – um uns besser ersticken zu können mit ihrem Scheitern, mit ihrer Lähmung, mit ihren schwachsinnigen Problemen. … Sie werden nie etwas andere sein, als diejenigen, die uns jedes Mal ein bisschen weiter von der Möglichkeit des Kommunismus entfernen.“ (S. 118) Diese Schimpferei nun hat schon was paranoides und stellt zugleich den Kommunismus als Erlösung vor.
Schwach ist der Text in seiner Gewalttätigkeit, dem „sich im Krieg befinden“ – meist gegen Staat und Polizei. Denn Kern aller Gewalt ist doch fast immer, sich im Zustand von Schwäche stark fühlen zu können. Die Autoren machen sehr gut verständlich, wie man sich in Organisationen und Vereinen aufreiben kann, um schließlich nur seine Kraft und ein Teil seines Lebens vergeudet zu haben. Dass es ihnen „im Krieg“ gegen Staat und Polizei ebenso ergehen wird, entgeht ihnen. Muss ein Staat Polizeigewalt aufwenden um sich, seine Autorität oder sonst was zu behaupten, so zeigt er Schwäche, kann aber durch Gewaltanwendung sich seine Illusion der Stärke bewahren. Je besser man das begreift, desto weniger wird man geneigt sein, in ebensolcher Gewalt und Schwäche zu reagieren und desto effektiver wird die Demonstration und der Protest sein.
Die wichtigste Frage angesichts von Terror, Zerstörung und Wahnsinn, bzw. ihre unerträgliche Maskierung mit Normalität ist sicher, wie wir in all dem unsere Menschlichkeit erlangen und bewahren können. Damit aber befassen sich die Autoren überhaupt nicht. Wem das fehlt, dem will ich den Autor Arno Gruen empfehlen: Seine Bücher „Der Wahnsinn der Normalität“ und „Verrat am Selbst“, ergänzen sehr passend und konstruktiv den „Aufstand“ und erklären zugleich Ursprung und Dynamik des „inneren Terrors“, von welchem auch dieser Essay so geprägt ist.
„Exzesse der Einschränkung“ und „Die Fratze des Wahnsinns“ ergänzen gut, was die Autoren einleitend zur „Fassade extremer Normalität“ schreiben: Widersinn und Paradox der sog. „Umwelt“, und „Umweltbewegung“, (S. 53) ist meine ich hiermit gut ergänzt: „Beherrschung als Ergebnis von Schwäche und Entfremdung“